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Texte

Alles draghi...

zur EZB am 23.1.2015

                                    

Meine Tochter – und nicht nur sie – fragt sich, was das alles bedeutet, was die EZB und Draghi machen. 

 

Heute ist der 22. Januar 2015 und Draghi freut sich frech grinsend über einen erneuten Sieg. Mit 1000 frisch gedruckten Milliarden will er in den nächsten Jahren die Inflation auf 2% steigern. Man glaubt, sich verhört zu haben. Draghi verspricht denjenigen, die Geld auf der Bank liegen haben, alles zu tun, um ihnen jährlich 2% davon abzunehmen. Darüber hinaus sollen für 6o Milliarden Euro in jedem Monat neue Schuldner gefunden werden. 

 

Wie er das machen will? Draghi kauft Banken Staatsanleihen (und irgendwelche anderen Papiere) ab, d.h. er kauft Staatsschulden und sonstige Bankschulden von zweifelhaftem Wert. Dafür bekommen Banken ganz normale, saubere, druckfrische, neue Euros. Aus Anleihen von potentiellen Pleitestaaten und Schrottpapieren werden so wertvolle Euros. Diese sind ab sofort freilich etwas weniger Wert, es sind ja auch mehr davon da. Geldwäsche und Geldverfälschung/Geldentwertung in einem Aufwasch. 

 

1000 Milliarden mehr im System. Welche Banken in welchen Ländern werden was mit diesem Geld anfangen? Wer kommt ran an Kredite und wofür? Wer kommt nicht an den Futtertrog und hat das Nachsehen? Werden wir erfahren, was wirklich passiert? Sind die Banken irgendwem Rechenschaft schuldig und kann der Bürger, die Öffentlichkeit, Einsicht nehmen? Geht Geld an „die Wirtschaft“ und „schafft Arbeitsplätze“ oder werden wieder einfach nur besser verzinste Staatsanleihen südeuropäischer Staaten gekauft bzw. die Aktien- und Immobilienblase aufgebläht? 

 

Draghi grinst in die Kameras, er gibt den Macher und wir versuchen, uns mühselig auf die Erklärungen, die er sparsamst absondert, einen Reim zu machen. Er setzt immer noch eins drauf. Wenn die Presse spekuliert, er werde 500 Milliarden ins System schütten, verspricht er 1000 Milliarden; wenn er gefragt wird, was er ausgeben wird, nennt er keine Zahl. Er verkündet stattdessen mit drohendem Unterton, er werde ausgeben, „was es braucht“, „bis wir da sind, wo ich hin will“... Sinngemäß sagt er das jedenfalls. Er gibt sich unbegrenzt ermächtigt, und macht, was er will. 

 

Die EZB kauft nicht Staatsanleihen von den Staaten direkt, das wäre heute noch  verbotene Staatenfinanzierung. Die EZB ermöglicht es vielmehr den Notenbanken der Länder, bei Banken einkaufen zu gehen. Dieser Zwischenschritt ermöglicht der EZB zu sagen, sie kaufe Staaten nicht direkt deren Schulden ab (Sie finanziere Staaten nicht direkt). Eigentlich zu dummdreist, um es ernst zunehmen. (In Zukunft wird man so ein Vorgehen einfach als „draghi“ bezeichnen.) 

 

Draghi geht nicht hin und nimmt irgendwem Geld weg. Ganz im Gegenteil. Er überschüttet die Banken mit Geld, das er gottgleich aus dem Nichts hervorbringt. Dann ist unser Geld, egal ob wir es auf der Bank oder unter der Matratze haben, auch weniger wert, aber er braucht uns nicht in die Tasche greifen. Die ohnmächtigen solcherart Bestohlenen werden vergebens "haltet den Dieb" schreien. Die Hunde mögen bellen, die Karawane zieht weiter. 

 

Aber es wird für uns ja vielleicht um so spannender sein, zu verfolgen, was die Banken mit dem Geldsegen anfangen, der sich ab sofort Monat für Monat über sie ergießt.Wer wird bei den Banken die Hand aufhalten und wer wird wie viel bekommen? Dieser Teil des Stückes, die Verteilung der 1000 Milliarden wird, wie ich vermute, dann eher schon wieder hinter der Bühne ablaufen, nicht im Rampenlicht. Allerdings, legal wird auch das sein. Ganz legal. Irgendwie sogar eigentlich auch schon scheißegal. 

 

Gesetzestreue ist kleinkariert und gefährlich in Zeiten der Gefahr, redet man uns ein. Seit 2010 die „no bail-out-Klausel“des Maastricht- Vertrages gebrochen wurde, also das ausdrückliche Verbot der Finanzierung von Schulden anderer Staaten, bezieht man sich eigentlich gar nicht mehr wirklich ernsthaft auf geschlossene Verträge und Gesetze.Maßnahmen werden erstmal in Eile und oft über Nacht ergriffen und im Anschluss  gerechtfertigt unter Berufung auf einen außergesetzlichen Notstand. Es bedarf angeblich "alternativloser" Schritte um „den Crash“zu verhindern. 

 

Metaphern, die wir übernehmen, helfen anderen uns zu lenken. Um im Bild zu bleiben: den Banken wird die Last abgenommen unter der sie zusammenzubrechen drohen (welche Bilder auch immer die Metapher vom drohenden „Crash“ in uns hervorrufen soll). Die Banken steigen bildlich gesprochen aus dem Bus aus, in dem wir alle sitzen, sobald sie von der Last ihrer schlechten Papiere befreit sind. Jetzt sitzt Draghi am Steuer unseres Buses. Er ist bereit, bei Nacht und Nebel auf der Autobahn Gas zu geben, um mit uns durch die Nebelbank zu kommen. Dass das kein "free ride" sein kann, wird jeder von uns verstehen.

Wenn man an den Zahlen in einem Jahr oder zweien sehen sollte, dass sich die Inflation nicht auf 2% vergrößert hat, ist Draghi bereit, die Dosis zu erhöhen, mehr Geld ins System zu schütten, noch schneller zu fahren.

Wie genau er mit seinem Vorgehen, welche Probleme lösen will, tritt in den Hintergrund. Ganz schön draghi eben diese Politik. Wir vertrauen uns derweil entspannt dem Fahrer an, auch wenn wir uns diesen nicht ausgesucht haben und es für unsere Sitzplätze auch keine Airbags gibt! 

 

Risiken sollten bei denen verbleiben, die sie eingegangen sind. Und Wirtschaftspolitik sollte von demokratisch legitimierten Institutionen gemacht werden. Nicht von Banken. Und auch nicht von Herrn Draghi. Dann können wir wieder relaxen, investieren und mit sinnvoller Arbeit auch wieder etwas verdienen. Nach Steuern.Qualitatives Easing gewissermassen. 

 

Und "draghi" bliebe das Unwort des Jahres 2015. Ciao Draghi.

"Ängste und Wahrscheinlichkeiten"

Gastkommentar in der "Wiener Zeitung" vom 4.8.2016

                               

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"Neue Wege zu geheimen Jobs"

"Trend" 08/2016, S.104 über den verdeckten Stellenmarkt

                 

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"Ein Leben für den Lebenslauf"

Interview von Michael Köttritsch mit Hans Fiedler in "Die Presse" vom 11./12.04.2015

                  

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"Lernen, allein zu schwimmen"

Michael Roither im Gespräch mit Hans Fiedler in den "Salzburger Nachrichten" vom 23.09.2014

                  

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